Ich traf Irina kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Eine kurze Interaktion – ein ernstes Gespräch. Wir schilderten uns gegenseitig unsere Ohnmachtsgefühle. Sie erzählte von Wut und Enttäuschung und dem Glauben an die guten Leute in dieser Welt. Ein Gespräch zwischen Hoffnung, der Sinnhaftigkeit von Visionen und der Kraft durch glauben an die eigenen Werte. Daneben Fassungslosigkeit, die uns beiden den Atem verschlug. Im Gesicht dieser Frau begegneten mir Unsicherheit, Stolz, Zorn und Trotz (Widerstandsbestreben) in derselben Minute. Ich ging ins Atelier, sammelte meine Eindrücke zusammen und formte aus der Erinnerung dieses vielsagende Bild.
WIR GEHEN (HIN)
Pigmenttusche/Papier (2022)
24 x 17 cm
Die Nachrichten aus der Ukraine bestimmen die Medien. Ich sah diese drei jungen Männer. 18, 19 und 21 Jahre alt. Sie hatten sich entschieden, im Krieg für ihr Land zu kämpfen und sich freiwillig bei der ukrainischen Armee gemeldet. Ausgestattet mit Ausrüstung saßen sie im Aufnahmelager und warteten auf das Ungewisse, was nun kommen sollte. Aus Wut wurde Aggression. Aus Entsetzen wurde Angst, aus Ungewissheit wurde ein Hin– und Hergerissensein. Diese drei suchten die Lösung in Kampfbereitschaft.
Ich musste weinen.
Es könnten auch mein Sohn und seine Freunde sein.
Unheimlich
Seit mehr als einem Jahr bestimmt der Krieg unser Leben. Wir mussten lernen mit dieser Realität zu umzugehen. Sie wurde uns aufgezwungen in Bildern und Geschichten von der Front, von Menschen auf der Flucht, von den Geschichten ihrer Ankunft in einem Land, in dem sie gar nicht sein wollen. die Berichte ließen mich erstarren.
Ich versuchte, wieder ins Zeichnen zu kommen, ging runter zur Elbe, an die Orte, die ich seit meiner Kindheit kenne. Ich wollte das Vertraute abbilden - doch Gewalt und Zerstörung durchdrungen die Zeichnungen, schlichen sich aus dem Gefühl auf das Papier. Erst am nächsten Tag erschienen die Dalben nicht mehr als Kanonenrohre.
UNHEIMLICH (Serie)
Graphitstift auf Papier (2022)
13 x 10 cm