Bild des Monats

Jeden Monat präsentiere ich auf der Startseite das BILD DES MONATS. Hier ein Blick auf die Bilder der zurückliegenden Monate. Mehr Eindruck machen die Bilder natürlich, wenn man ihnen im Atelier gegenüber steht. Ich freue mich auf Ihren Besuch.

MÄRZ 2024

Goddess

Goddess
GODDESS
Pigmenttusche/Papier (2023)
50 x 40 cm

Begegnung

Begegnung
Schaut sie von oben herab? Sie scheint in einer erhabenen Position zu sein
Ich schaue sie an
Ohnmachtsgefühl kommt nicht
Sie lockt mich. Womit?
Was will sie?
Ich gehe näher heran
Der Blick von oben wandelt sich
Wir stehen uns gegenüber
Blicken uns direkt in die Augen
Eine Verbindung entsteht
Wir verbünden uns
Energiegeladen gehe ich meinen Weg und schreite zur Tat
Ich muss nichts sein
Ich bin


Januar/Februar 2024

Mermaids

Mermaids
MERMAIDS
nach dem gleichnamigen Song von NICK CAVE
Pigmenttusche/Papier (2015)
70 x 100 cm

„Ich mochte die Musik von Nick Cave. Böse. Treibend und rau. Sie zieht an den dunklen Seiten des Selbst. Bringt einen dazu, dorthin zu sehen, wo man eigentlich lieber in die Vermeidung geht. Genau das ist für mich die Reibungsfläche: immer wieder die Tür einen Spalt aufmachen und sich auch mit den unbehaglichen Sachen beschäftigen.
Während ich mich in den 90ern kaum getraut habe, eine Scheibe ganz durchzuhören, ist die Musik der 2000er durch die Zusammenarbeit mit Warren Ellis ein Quantensprung. Das Album "Push the Sky Away" klingt wie ein abgefahrenes Requiem. Ich empfehle, es komplett durchzuhören. Wenn man sich voll darauf einlässt, erscheinen großartige Bilder, die Cave mit wenigen Worten „zeichnet“:
The Mermaids sun themselves out on the rocks
They are beyond our touch
I watch and watch
Them wave at me
They wave and slip
Back into the sea“

Aus dem Song "MERMAIDS" von Nick Cave.


November/Dezember 2023

KIM

KIM
KIM
Pigmenttusche/Papier (2023)
14 x 28 cm

„Wie hast du es geschafft, ein neuer Name zu werden? [...]

Ich ging zum Starbucks, um meinen Namen zum allerersten Mal zu hören. Ich stellte mich in der Schlange an, ich gebe zu: Dabei zitterte ich sogar ein bisschen vor Aufregung. Als ich an der Reihe war und nach meinem Namen gefragt wurde, sagte ich, Linus – ich war viel zu aufgeregt, um den Namen auf meiner Zunge und meinen Lippen zu schmecken, er fiel mir wie ein Stein aus dem Mund. Er wurde auf den Kaffeebecher geschrieben und wenige Minuten später laut aufgerufen. Linus! Mein Kopf brauchte einen Moment, bis ich mich angesprochen fühlte. Beim Verlassen des Cafés fühlte ich mich beschwingt: Ich hatte mich zum ersten Mal mit meinem neuen Namen vorgestellt und war zum ersten Mal mit meinem neuen Namen angesprochen worden.“

aus: Linus Giese (2023): Lieber Jonas oder Der Wunsch nach Selbstbestimmung. (Briefe an die kommenden Generationen, Bd. 1). Kjona Verlag (München)


Oktober 2023

MY DEATH

MY DEATH
MY DEATH
nach dem gleichnamigen Song von DAVID BOWIE
Pigmenttusche/Papier (2023)
20 x 30 cm

MY DEATH heißt das Bild des Monats Oktober, nach dem gleichnamigen Song von DAVID BOWIE, den er 1997 in der Radio City Music Hall, New York vortrug. Ich verharre jedesmal in Entzücken. Eine großartige Performance, die zeigt, wo Bowies Talent liegt: Während er singt, begibt er sich mit Haut und Haar in die Rolle, die der Vortrag verlangt, bis er das, was er singt, wirklich IST.

Entstanden ist das Werk im Rahmen des Projekts AUF DEN SONG GEZEICHNET. Auf der Timeline eines Tracks entsteht ein eigenständiges Werk. Es zeigt die Transformation der durch die Musik ausgelösten Empfindungen in einen bildnerischen Ausdruck. Eine besondere Spannung entsteht durch die Begrenzung der Arbeitszeit. Für ein Bild habe ich, je nach Länge des Songs, ca. 3 bis 6 Minuten Zeit.


August 2023

Ten Grand Goldie

TEN GRAND GOLDIE
TEN GRAND GOLDIE
nach dem gleichnamigen Song von Einstürzende Neubauten
Pigmenttusche/Papier (2023)
24 x 20 cm

Blaue Stunde mit offenem Ausgang. Das Licht in der Bar am Abend. Eine Amerikanerin mit goldblonder, zum Bob frisierter Lockenpracht um das herzförmige Gesicht - herangezoomte Assoziationen der eigenen (Welt)Erfahrung überlagern sich, gleiten wie im Lauftempo dahin und formen ein Bild abseits des vom Song transportierten Textes. Und doch hat das entstehende Bild viel mit der schöpferischen Kraft der Musik zu tun. Zum Anfertigen einer Arbeit erlaube ich mir nur die Laufzeit des Tracks. Eine kleine Chance, die im Inneren wahrgenommenen Bilder intuitiv als reine Form von Impuls auf das Papier zu bekommen.
Momentaufnahme und Bruchstück.


Juli 2023

GLAUKOS / γλαύκος

Glaulkos (2019)
GLAUKOS
Pigmenttusche/Papier (2019)
53 x 66 cm

„Ach, wäre ich doch unsterblich wie du. Dann könnte ich für immer bei dir sein.“ Seine vom Salzwasser geschundenen Hände berührten sanft die Lippen der jungen Göttin mit der menschlichen Stimme. Dann schlief Glaukos in Circes Armen ein – erschöpft von der harten Arbeit als Fischer und von den nie endenden Demütigungen seines Vaters.

[Musik setzt ein] Wochenlang hatte Circe den jungen Mann mit den wunderschönen Locken bei seiner Arbeit beobachtet. Sie liebte die Gestik seiner Hände, sein zartes Gesicht. Trotz der ärmlichen Verhältnisse strahlte er Eleganz aus. Circe genoss seine Zuneigung und Wärme. In seinen Armen fühlte sie sich geborgen und sicher. ‚Ob das wohl die Blumen sind, von denen meine Großmutter Theia gesprochen hat?‘ Auf dem Weg zum Strand hatte sie kleine gelbe Blumen entdeckt. Sie hörte die Stimme von Theia nachklingen: „Hüte dich vor diesen Blumen.“ - ‚Wenn ich ... vielleicht nur einen winzigen Tropfen … Ich meine ... was wird da schon passieren. Ein Tropfen, das ist doch fast nichts ... und außerdem kann mein Bruder Zaubern – ich nicht.‘ Ihr Vater, Helios, hält nicht viel von seiner Tochter. Wenn sie sich an ihn schmiegt, stößt er sie beiseite.

Sanft löste Circe sich aus den Armen ihres Geliebten. „Die Blumen, heißt es, wachsen dort, wo das goldene Blut von uns Göttern im Kampf vergossen wurde. Muss ziemlich viel Blut geflossen sein. Kaum zu glauben, dass diese zarte Pflanze gefährlich sein soll.“

Im Nu war sie wieder bei Glaukos, der tief und fest in der Mittagssonne schlief. Vorsichtig presste sie einen Tropfen aus dem Stängel und benetzte seine spröden Lippen. Glaukos schlug jäh die Augen auf, wie von Zauberhand veränderte sich sein Körper, die Wunden auf der Haut heilten in Sekunden, seine Locken wurden noch mächtiger, seine Haut bekam einen wunderschönen bläulich-grünen Schimmer, seine Statur verwandelte sich in die eines Meeresgottes. Er sprang auf, rannte ins Meer und verschwand in den Tiefen des Ozeans. Atemlos folgte sie ihm und konnte ihr Glück kaum fassen.

Der Zauber der „Blume der wahren Bestimmung“ hatte gewirkt. Aus dem Fischersohn war ein imposanter Gott geworden. Umgeben von den schönsten Nymphen im Palast des Poseidon genoss der geschwätzige Neuling die Aufmerksamkeit der Palastbewohner, doch Augen hatte er nur noch für eine: Skylla. „Circe, du musst mir helfen. Sie ist so wunderschön. Schau, diese Ketten aus Muscheln und Bernstein sind für sie. Aber sie will nichts von mir wissen.“

Skylla (2019)
SKYLLA
Zeichnung, Graphitstift (2019)
25 x 33 cm

Circe stockte der Atem. Was war nur aus dem sanftmütigen und einfühlsamen Fischersohn geworden? Bis zuletzt hatte sie gehofft, sie würden zueinander finden, sobald er den Schock der Verwandlung überwunden hätte. „Circe, ich liebe dich wie eine große Schwester, aber mein Herz, meine Liebe gehört Skylla. Hilfst du mir?“

Enttäuscht und voller Wut lief Circe davon, pflückte alle Blumen der wahren Bestimmung, die sie finden konnte, eilte zu der Bucht, in der Skylla am nächsten Morgen baden sollte, presste die Blütenstängel bis auf den letzten Tropfen aus und träufelte den Saft in das dunkle Wasser. Sie blickte zum Himmel und sah den Mond emporsteigen, dessen silbernes Licht durch die Zweige der Bäume fiel. „Niemals!“

Gespräch mit der Künstlerin auf der Ausstellung Selbstermächtigung 2021/22)
Ausstellung "Selbstermächtigung" (2021/22)

Diese geradezu kitschige Geschichte habe ich mit dem entsprechenden Pathos in der Stimme in unseren gut zwanzig Performances anlässlich der Ausstellung „Selbstermächtigung“ erzählt. Mehr als zwei Jahre habe ich mich mit verschiedenen Figuren aus der griechischen Mythologie und den nordischen Sagen beschäftigt. Entstanden ist eine Ausstellung mit über zwanzig Bildern, in denen ich alte Geschichten neu erzähle - aus der Perspektive einer Frau von heute. Zu sehen sind verschiedene Darstellungen weiblicher Selbstermächtigung, aber auch Bilder wie das von Glaukos.

Bei Käse und Wein, Brot und Oliven haben wir die Geschichten hinter den Bildern – begleitet von Musik, Lesung und szenischem Spiel – einem kleinen Publikum vorgetragen und so die mündliche Erzähltradition vergangener Zeiten wieder aufleben lassen.


Mai/Juni 2023

"Alles in allem"

ALLES IN ALLEM I (2020)
Auf den Song gezeichnet: "ALLES IN ALLEM" (I)
Pigmenttusche/Papier (2020)
15 x 21 cm

Der Morgen, als ich in dem Song "ALLES IN ALLEM" (Einstürzende Neubauten) versunken bin, war ein sonniger Tag im Mai 2020. Frühlingsduft lag in der Luft, das Rotkehlchen, das seit vielen Jahren in den Büschen vor unserem Haus wohnt, beobachtete mich aus sicherer Entfernung. Das helle Grün leuchtete intensiv durch das Licht der Sonne. Gespenstische Stille. Der Spielplatz gegenüber: menschenleer. Kein Kind war zu sehen, kein Lachen wie sonst zu hören, nur die Schaukel bewegte sich leise im Wind.
Luft versetzt die Durchschlagzungen des Harmoniums in Schwingungen, unbeirrt und bestimmt fließt die Musik dahin, entfaltet vom ersten Moment an ihre suggestive Kraft. Ohne zu überlegen, greife ich nach dem Pinsel.

Zeit als Sollbruchstelle

3"23' - mehr Zeit habe ich nicht, um das Bild zu zeichnen. Der Pinsel folgt meinem Gefühl. Ein Fluss mit 5, 6 Inseln | Eine ist schon festgewachsen | Sperrt ihren Rachen auf - Gewissheiten lösen sich auf, mühelos überwindet der Song die unerschütterlichen Gesetze der Physik. Eine Wolke mit kleinen Augen | Hat sich abgelöst | Erdreste hängen ihr noch an Mehr und mehr werde Teil dieser amorphen Wirklichkeit. In der Unendlichkeit | Bin ich auch | Alles in allem | Unendlich oft vorhanden Schicht für Schicht entsteht mein Bild von ALLES IN ALLEM - gezeichnet auf den Song.
Eine Zustandsbeschreibung, ein Auflösungsprozess aus sich selbst heraus? Auf jeden Fall (für mich) die Überwindung von Grenzen.
Die Zeichnung aus Pigmenttusche, reduziert und expressiv aufgetragen, suggeriert einen Gedankenhauch, ein flüchtiges Bild im Kopf. Keine Erklärung.


April 2023

Irina

Irina (2022)
IRINA
Pigmenttusche/Papier (2022)
21 x 30 cm

Ich traf Irina kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Eine kurze Interaktion – ein ernstes Gespräch. Wir schilderten uns gegenseitig unsere Ohnmachtsgefühle. Sie erzählte von Wut und Enttäuschung und dem Glauben an die guten Leute in dieser Welt. Ein Gespräch zwischen Hoffnung, der Sinnhaftigkeit von Visionen und der Kraft durch glauben an die eigenen Werte. Daneben Fassungslosigkeit, die uns beiden den Atem verschlug. Im Gesicht dieser Frau begegneten mir Unsicherheit, Stolz, Zorn und Trotz (Widerstandsbestreben) in derselben Minute. Ich ging ins Atelier, sammelte meine Eindrücke zusammen und formte aus der Erinnerung dieses vielsagende Bild.